»Seit wir und das letzte Mal gesehen haben«, hat sich Einiges verändert

Zur 7. Internationalen Uwe Johnson-Tagung »Johnson edieren«


Nachdem die Pandemie in den vergangenen Jahren ein persönliches Zusammentreffen verhindert hatte, versammelten sich vom 16. bis zum 18. Juli sowohl vertraute als auch neue Gesichter im Rostocker Rathaus zur 7. Internationalen Uwe Johnson-Tagung zum Thema »Johnson edieren«. – »Ausgerechnet zum Thema ›Johnson edieren‹«, kommentierte Prof. Dr. Holger Helbig in seiner Begrüßung und deutete damit bereits auf das breite Spektrum des diesjährigen Programms hin, das sich auf eine stark gewandelte Welt ausrichtete, in der auch der Wissenschaftsbetrieb nicht unbeeinflusst von der zunehmenden Digitalisierung bleibt. Entsprechend vielfältig und breit gefächert war das Portfolio der Tagungsbeiträge, in das die Besucherinnen und Besucher durch das Grußwort von Prof. Dr. Elizabeth Prommer, der ersten weiblichen Rektorin der Universität Rostock, entlassen wurden.

So nahm sich die Zusammenstellung der aus den USA und Großbritannien angereisten Professoren Gary Lee Baker und Robert Gillett zunächst den Herausforderungen der Lemmatisierung an, mit denen sich die historisch-kritische Werkedition des zeitweiligen Wahl-New-Yorkers Johnson konfrontiert sieht. Dr. Yvonne Dudzik und Dr. André Kischel sprachen indes über den unterschiedlichen Umgang mit verschiedenen Textsorten im Langzeitvorhaben und argumentierten treffend, dass sich die Werkzeuge, die beim Kommentieren verwendet werden, mit den sich ändernden Zeiten ebenfalls weiterentwickeln müssen. Die späteren Vorträge von Dr. Gregor Baszak und Dr. Ulrich Fries bauten darauf auf und zeigten zugleich, dass Johnsons epochales Werk und seine Authentizität als Autor immer nur im Kontext der Umstände seiner Zeit und in Verbindung mit dem, was ihm unmittelbar voranging, gemessen werden können.

Nicht weniger historiografisch, aber vor allem stärker auf den digitalen Aspekt des Tagungsthemas ausgerichtet, sprach Fabian Kaßner am Samstag zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des wissenschaftlichen Edierens. Dadurch legte er den Grundstein dafür, dass Dr. André Kischel, Karsten Labahn und Antje Pautzke das digitale Johnson-Archiv und seine jetzige Funktionsweise vorstellen konnten. Im Anschluss daran diskutierten Jun.-Prof. Dr. Ulrike Henny-Krahmer, Prof. Dr. Astrid Köhler und Marc Lemke über die Verbindung linguistischer und digital-editorischer Perspektiven am Beispiel von Räumen und Orten in Texten Johnsons. Als wissenschaftskommunikativer Höhepunkt des Tages präsentierte Dr. Tobias Kraft die edition humboldt digital und print sowie weitere Ressourcen der Berliner Humboldt-Forschung (avhumboldt.de – Alexander von Humboldt Informationen online und HiN – Alexander von Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien) und gewährte trotz technischer Schwierigkeiten einen beeindruckenden Einblick in die Funktionsweise anderer digitaler Ausgaben. Honoriert wurden hiernach die Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums Kühlungsborn und des John-Brinckman-Gymnasiums Güstrow, die für ihre einfallsreichen und kreativ-digitalen Projekte den Uwe Johnson-Schulpreis 2022/2023 in Empfang nahmen. Während eines offenen Baustellengesprächs zur Zukunft des Johnson-Jahrbuchs wurden hingegen tagesabschließend die Wünsche der Leserinnen und Leser sowie Mitglieder der Uwe Johnson-Gesellschaft bezüglich eines digitalen und/oder analogen Formats diskutiert.

Den Sonntag eröffneten Hanna Bott, Henni-Lisette Busch und Magdalena Höft. Als jüngste Generation der Wissenschaftlerinnen angekündigt, stellten die Referentinnen ihre Überlegungen zur künftigen Gestaltung und Struktur der Jahrestage-Edition vor und luden im Anschluss zur Diskussion darüber ein: Wie bearbeitet man das Mammut-Werk so, dass sowohl den Anforderungen einer analogen als auch einer digitalen Ausgabe als auch den Besonderheiten des Werkes selbst genüge getan wird? Cordula Greinert schloss sich an und behandelte Fragen der digitalen Editionswissenschaft, insbesondere die Materialität von Text und Quellen sowie die damit verbundenen neuen medialen Chancen und Herausforderungen. Den Abschluss der Tagung bildete Dr. Nils Plath mit einem Beitrag zu Johnsons Stilistik der Bedeutungsräume und dem daraus resultierenden Gebrauch (und Nichtgebrauch) von Auslassungen und Satzzeichen.

Abseits des Tagungsgeschehens hatten die Besucher die Möglichkeit, eine außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen dem Kunstverein zu Rostock und der Uwe Johnson-Gesellschaft mitzuerleben: So entführte die Autorin Judith Zander schon am Freitagabend interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer in den Vereinsräumlichkeiten bei einer mitreißenden Lesung in die Welt ihrer Werke. An gleicher Stelle ging es dann am Samstagnachmittag weiter, als der Rostocker Grafiker Matthias Dettmann Anwesende durch seine aktuelle Ausstellung »When did Mäkelborg egentlich uphört?« führte. Zwischen Fotografien, Zeichnungen und Stempeleien bot sich Besucherinnen und Besuchern hier noch bis zum 2. Juli die Gelegenheit, Johnsons Werk und seine literarische Beziehung zum Land Mecklenburg auf anderem Wege näherzukommen. Und obwohl das Nachdenken darüber noch lange nicht abgeschlossen ist, so steht doch heute schon fest: Bis man sich zur nächsten Tagung wiedersieht, wird sich mit Sicherheit noch mal Einiges verändert haben.