Zum Tod von Manfred Bierwisch

Manfred Bierwisch war einer der engsten Freunde Uwe Johnsons. Die beiden lernten sich im Herbst 1954 als Studenten kennen, nachdem Johnson von Rostock an die Universität Leipzig gewechselt hatte. Zeitlebens haben sie einander nicht aus den Augen verloren. Davon zeugt ein umfangreicher Briefwechsel, der von Juni 1955 bis kurz vor Johnsons Tod im Februar 1984 reicht. Zusammen mit den Briefen von Klaus Baumgärtner, Eberhart Klemm und Joachim Menzhausen – dem sogenannten ›Leipziger Freundeskreis‹ – bildet er die umfangreichste und bedeutendste Korrespondenz Johnsons, in ihrer Gesamtheit ein Stück deutsch-deutscher Kulturgeschichte.

Manfred Bierwisch war aber auch einer der bedeutendsten Linguisten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bereits mit Beginn seiner Promotion 1958 forschte Bierwisch sprachwissenschaftlich an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Seine innovative Forschung im Bereich der Generativen Grammatik führte zu Anfragen und Angeboten aus aller Welt, auch vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Manfred Bierwisch blieb in Ost-Berlin. 1981 übernahm er dort die Leitung der neu gegründeten Arbeitsgruppe Kognitive Linguistik. Nach dem Mauerfall wurde er Gründungsmitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, leitete am Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft die Arbeitsgruppe Strukturelle Grammatik und wurde, nachdem es ihm in der DDR Jahrzehnte verwehrt wurde, an der Humboldt-Universität zu Berlin zum ordentlichen Professor berufen.

Mit seinem Zuspruch, seinem Rat und seiner Unterstützung hat Manfred Bierwisch der Uwe Johnson-Forschung und besonders der Uwe Johnson-Werkausgabe in Rostock viel ermöglicht. Wir werden ihn in Erinnerung behalten als einen ungemein freundlichen, klugen, bescheidenen, witzigen und neugierigen Menschen.

Am 31. Juli ist Manfred Bierwisch im Alter von 94 Jahren verstorben. Wir werden ihn sehr vermissen und sind mit unseren Gedanken bei seiner Familie und seinen Angehörigen.